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Gesunde Grenzen für People Pleaser


Ein Mann im grünen Pullover mit rotem Stift in der Hand
Psychologie Heute von September 2024

Die Aktuelle September-Ausgabe der Fachzeitschrift Psychologie Heute widmet sich in ihrem Schwerpunktthema "Meine Grenzen und ich" einem Thema, welches für People Pleaser interessant sein dürfte:


Die Schwierigkeiten, gesunde Grenzen zu setzen, deren Herkunft, Folgen sowie Möglichkeiten der Transformation.


Der Beitrag basiert auf den Arbeiten von Nedra Glover Tawwab, einer US-Psychotherapeutin, welche in ihrem Buch Set Boundaries, Find Peace Symptome wie Überforderung, Groll, Vermeidung von Telefonaten und sozialem Kontakt, Burnout und dem Gefühl, keine Zeit für sich selbst zu haben als typische Anzeichen identifiziert.



Laut Glover Tawwab ist es elementar wichtig, sich bewusst zu machen, dass Grenzen Erwartungen und Bedürfnisse sind, die helfen, sich in Beziehungen sicher und wohl zu fühlen. Es ist die Aufgabe jedes und jeder Einzelnen, diese Bedürfnisse klarzustellen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.


Herausforderung "Abgrenzung" für People Pleaser

Gerade People Pleaser kämpfen enorm mit der Herausforderung, gesunde Grenzen zu setzen. Dabei gibt des unterschiedliche Gründe dafür, dass sie dies tun:

  • Sie sind sich nicht sicher genug, dass die Beziehung es verträgt, die Grenzen offen auszusprechen.

  • Sie haben es in ihrer Vergangenheit nie gelernt, ihr Selbst zu behaupten und für sich sowie für die eigenen Grenzen einzustehen.

  • Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht und wurden dafür bestraft.


Grenzen sind ein ganz wichtiges Signal für andere, damit diese überhaupt verstehen können, was die Bedürfnisse und Wünsche des Gegenübers sind.


Klare, offene Worte retten also Beziehungen, sie bedrohen sie nicht! Wenn People Pleaser diese Offenheit scheuen, weil sie befürchten, dies brächte ihre Beziehung in Gefahr, erliegen sie einem Fehlurteil. Solange die Kommunikation erwachsen und empathisch erfolgt - später mehr dazu - ist dies nicht zu befürchten.


Konfliktgespräche werden negativ angesehen

Überhaupt beweisen wissenschaftliche Studien, dass viele Menschen ein arg negativ verzerrtes Bild von Konfliktgesprächen haben. Studien der University of Chicago belegen, wie sehr wir das Schlimmste erwarten, wenn wir über unsere Bedürfnisse sprechen. Dabei verlaufen in der Realität solche Gespräche wesentlich glimpflicher und konstruktiver ab, als man dies vorher befürchtet hat.


Negative Erwartungshaltung schrecken People Pleaser ab

Wenn sich eine Führungskraft beispielsweise über ihre wahre Meinung zur Arbeitsleistung ihres Mitarbeitenden ausschweigt, erleben diese das z.B. als deutlich schlimmer, als wenn die Führungskraft zwar gezielte Kritikpunkte äußert, ansonsten jedoch authentische Wertschätzung vermittelt.


Selbsttest und praktische Übungen

Glover Tawwab hat einen Selbsttest (siehe Anhang) entwickelt, um People Pleasern und anderen Menschen Hinweise dafür zu geben, inwiefern ihr individuelles Verbessungspotenzial besonders hoch ist. Im Einzelnen unterscheidet sie dabei insgesamt 6 Arten von Grenzen: zeitliche, emotionale, intellektuelle, materielle, körperliche, sexuelle. Außerdem schlägt sie kontinuierliche, praktische Übungen vor, um die eigenen Grenzen zu erkennen, sie zu benennen und für sie letzten Endes bestimmt einzutreten.


Grenzen setzen hilft auch bei depressiver Verstimmung

Bereits seit den 1940er Jahren ist bekannt, dass viele depressive Menschen kaum dazu fähig sind, für ihre Sache einzustehen. Indem sie ihre Wünsche nicht kommunizieren, bekommen sie das Gefühl, von anderen ausgenutzt und übervorteilt zu werden. Die Lösung ist naheliegend: Wenn sie ihre eigenen Wünsche klar und ruhig benennen können, arbeitet dies der Depression entgegen. Dies war die Geburtsstunde des assertiveness training, eines Selbstbehauptungstrainings, welches sich als wirksam erwies, das Selbstvertrauen zu stärken und soziale Ängste zu reduzieren.


Das Assertiveness-Training-Programm (ATP)

In den 1970er Jahren entstand unter dem Titel Assertiveness-Training-Programm (ATP) in Deutschland eine ganz eigene Schule der Selbstbehauptung. Die Psycholog:innen Rüdiger Ullrich und Rita de Muynck entwickelten 127 soziale Übungssituationen, die in Rollenspielen geübt und anschließend unter realen Bedingungen umgesetzt werden. Es werden Hauptkategorien wie das Stellen von Forderungen, das Nein-Sagen und Kritisieren sowie das Herstellen von Kontakten berücksichtigt.


Durch etliche Studien bewiesen, erzielt solch ein Training nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig positive Effekte für die mentale Gesundheit, indem es die Fähigkeit zur Selbstakzeptanz eigener Bedürfnisse und zur Behauptung derselben nach außen fördert.


Im Kern helfen diese Übungen dabei, vier verschiedene Ängste abzubauen bzw. Skills zu erwerben, ohne dabei Verlustangst in Bezug auf die Beziehung zu erleiden:


  1. Fähigkeit zu Fehlern zu stehen und Kritik anzunehmen

  2. Fähigkeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen und zu bleiben

  3. Fähigkeit, berechtigte Forderungen zu stellen

  4. Fähigkeit, gelassen und fair zu kritisieren


Gewaltfreie Kommunikation

Ein weiterer wichtiges Mosaikstück für eine bessere Selbstbehauptung sind Haltung und Technik der Gewaltfreien Kommunikation, die seit den 1980er Jahren Einzug in die Businesswelt genommen hat. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg ist eine strukturierte Methode, um eigene Bedürfnisse zu äußern und gleichzeitig die Beziehung zu anderen zu wahren.


Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation – Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte – sowie ihre empathische, wertschätzende Grundhaltung helfen dabei, Konflikte zu entschärfen und Missverständnisse zu vermeiden. Insofern bietet dieses Tool die Chance, People Pleasing-Verhalten abzustellen dank einer eingeübten Kommunikationspraxis.


"People Pleasing adé" braucht gesunde Abgrenzung

Der Artikel "Meine Grenzen und ich" in der aktuellen Psychologie ist eine Quelle der Inspiration für all diejenigen, die das Setzen gesunder Grenzen erlernen möchten. Er verdeutlicht die Schwierigkeiten, in der Praxis Grenzen zu setzen, insbesondere gegenüber Autoritätspersonen wie Vorgesetzten. "Konsequent sein" ist ein wichtiger Schlüsselfaktor zum Erfolg. Letzten Endes bedeutet dies, die Notbremse zu ziehen und den Kontakt abzubrechen, wenn die eigenen Grenzen wiederholt verletzt werden.


Mittels Selbstbehauptung und klare Kommunikation lässt sich nicht nur das eigene Wohlbefinden verbessern. Auch die Qualität der beruflichen und privaten Beziehungen profitiert davon. Menschen, die sich als People Pleaser wiedererkennen, bietet der Artikel insofern wertvolle Einblicke und praktische Tipps, um den ersten Schritt zur Veränderung zu gehen.


Schlüsselgedanken und Kernempfehlungen

  • Grenzen sind wichtig: Sie helfen, sich in seinen Beziehungen - ob privat oder beruflich - sicher, selbstwirksam und wohl zu fühlen.

  • Kommunikation ist das "A und O": Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen und jeder Einzelnen, die eigenen Bedürfnisse klarzustellen. Niemand kann Gedanken lesen.

  • Selbstreflexion: Das Erkennen und Benennen der eigenen Bedürfnisse ist der erste Schritt zu gesunden Grenzen.

  • Praktische Übungen: Übungen zur Selbstbehauptung können helfen, die eigenen Grenzen besser zu verstehen und umzusetzen.

  • Wissenschaftliche Unterstützung: Studien zeigen, dass sowohl das assertiveness training als auch Gewaltfreie Kommunikation effektiv sind.

  • Kontinuierliche Praxis: Stärker wird man durch regelmäßige Anwendung und Übung dieser Techniken. Vielleicht probiert man dies zu Beginn am besten dort aus, wo der Widerstand am geringsten vermutet wird. Man kann dabei ruhig Vertraute einweihen und sich couragiert als People Pleaser "in progress" outen. Die Chancen sind groß, dass das Gegenüber damit auch strugglet.


Wenn du weiterhin an Themen wie People Pleasing, Selbstbehauptung und Selbstfürsorge arbeiten möchtest, stehe ich dir gerne zur Verfügung.


Lass' uns gemeinsam Strategien entwickeln, um deine Ziele zu erreichen und deine Stärken und dein volles Potenzial privat wie im Beruf zu entfalten.

Herzlichst, Verena Stahl






Selbsttest

Wie gesund sind deine Grenzen?

Lies dir die folgenden sechs Szenarien in Ruhe durch. Notiere auf einem Blatt Papier:

  • Wie würdest du darauf vermutlich reagieren?

  • Was würdest du sagen? Antworte so ehrlich wie möglich.


  1. Zeitliche Grenzen

    Meine Zeit gehört mir. Stell dir vor: Du hast viele Projekte auf dem Schreibtisch und stehst unter Zeitdruck. Ein Kollege betritt das Büro und erzählt von seinem Wanderausflug am Wochenende. Eigentlich müsstest du zurück an die Arbeit – doch er findet einfach kein Ende.


  2. Emotionale Grenzen

    Niemand darf meine Gefühle herabsetzen oder abwerten. Folgendes geschieht: Du hast etwas erlebt, das dich belastet und sehr traurig macht. Du schüttest einer Freundin dein Herz aus. Die Freundin geht nicht darauf ein und sagt gelangweilt: „Na ja, eigentlich ist das ja keine große Sache."


  3. Intellektuelle Grenzen

    Meine Gedanken, Ideen und Meinungen sind frei. Dies fällt vor: In einem Jobmeeting widersprichst du einer Kollegin in sachlichem Ton. Du kannst deinen Standpunkt gut begründen. Die Kollegin reagiert vor dem gesamten Team gereizt und macht sich über deinen Einwand lustig.


  4. Materielle Grenzen

    Meine Sachen gehören mir. Was geschieht: Du hast einem Nachbarn deine Bohrmaschine geliehen. Als er sie zurückgibt, sind zwei der Bohraufsätze abgebrochen.


  5. Körperliche Grenzen

    Niemand sollte mir zu nah kommen, bei dem ich das nicht möchte. Gleichwohl passiert dies: Ein Kollege beugt sich von hinten über dich, um einen Text auf deinem Bildschirm zu lesen. Du fühlst dich unwohl dabei.


  6. Sexuelle Grenzen

    Niemand darf mir gegenüber sexuell übergriffig werden. Sexuelle Grenzen sind nicht immer deutlich von den körperlichen zu unterscheiden. Manchmal aber schon. Sie werden verletzt bei anzüglichen Bemerkungen oder sexuellen Handlungen, denen du nicht zustimmst. Stell dir vor: Bei einer Betriebsfeier spürst du plötzlich eine fremde Hand auf deinem Knie. Du magst die Berührung nicht.


Auflösung

Vergleiche deine Antworten mit den folgenden 3 Kategorien: gesunde Grenzen, schwache Grenzen, zu starre Grenzen.

Beurteile

  • wozu du jeweils tendierst

  • wie du dir dies erklärst

  • wozu du etwas ändern möchtest

  • was du ändern möchtest

  • wie du konkret vorgehst

Vielleicht wünscht du dir hierfür eine professionelle Begleitung - melde dich gerne bei mir!


Auswertung der Ergebnisse

Anzeichen für gesunde Grenzen:

  • es fällt dir leicht, bei der Sache zu bleiben

  • du kannst dein Bedürfnis ruhig und direkt ansprechen

  • du kannst deinem Gegenüber klar und offen sagen, was du von ihm willst


Anzeichen für schwache oder fehlende Grenzen:

  • du sagst nichts und lässt Dinge zu, die du nicht magst

  • du ärgerst dich heimlich und spürst lange einen Groll

  • du akzeptierst die Situation gelassen, fühlst dich aber hinterher unwohl oder schuldig

  • du suchst eine Ausrede, um der Situation zu entkommen


Anzeichen für zu starre Grenzen:

  • du schreist dein Gegenüber wütend an

  • du machst andere lächerlich, wirst höhnisch und wirst passiv aggressiv

  • du brichst den Kontakt zu einer Person ab, ohne sie zur Rede zu stellen ("ghosting")

  • du erfindest für die Zukunft harte Regeln und versuchst so, deine Enttäuschung vor anderen und dir selbst zu verbergen („Ich verleihe nie wieder etwas“)




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