
Wie hängen Abgrenzung und Glaubenssätze zusammen?
Heute geht es um ein zentrales Thema, das viele Menschen betrifft: gesunde Abgrenzung. Was bedeutet es, gesunde Grenzen zu setzen, und warum fällt es uns manchmal so schwer, diese Grenzen zu spüren und durchzusetzen?
Die Antwort liegt oft in unseren tief verwurzelten Glaubenssätzen. In diesem Blogbeitrag erfährst du, wie du deine Glaubenssätze erkennst, wie sie dich beeinflussen und wie du durch ein Update deiner Glaubenssätze eine klare und souveräne Abgrenzung erreichst.
1. Warum ist gesunde Abgrenzung so wichtig?
Grenzen zu setzen, ist nicht egoistisch, sondern essenziell, um gesunde Beziehungen zu anderen zu führen – sei es im privaten oder beruflichen Umfeld. Darüber hinaus ist es jedoch mindestens genauso wichtig für uns selbst im "Binnenverhältnis". Denn es zahlt positiv auf unser eigenes mentales wie auch körperliches Wohlbefinden ein, indem es uns eine hohe Selbstwirksamkeit vermittelt: "Ich bin in der Lage, mich gesund abzugrenzen."
Im Umgang mit anderen ermöglichen Grenzen es uns, klar zu kommunizieren, was uns wichtig ist. Zugleich schützen sie uns vor Überforderung und Fremdbestimmung. Umgekehrt gilt: Spüren wir unsere Grenzen nicht oder fällt es uns schwer, auch bei Widerständen für sie einzutreten, leidet unser Wohlbefinden und nimmt unsere Gesundheit "über kurz oder lang" Schaden.
Warum tun sich so viele Menschen schwer damit, sich gesund abzugrenzen?
Manche Menschen haben Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen, weil sie befürchten, andere zu enttäuschen oder Konflikte auszulösen. Andere wiederum setzen viel zu harte Grenzen, um sich vor Verletzungen zu schützen. Beide Verhaltensweisen führen langfristig zu Problemen – in Beziehungen, im Job und vor allem auch im Verhältnis zu uns selbst. Sie resultieren aus alten Verhaltensmustern, die oftmals wenig mit dem "Jetzt und Hier" zu tun haben, weswegen sie sich trotz aller negativer Konsequenzen hartnäckig halten.
2. Entdecke deine Glaubenssätze – Was treibt dich an?
Du hast sicherlich schon einmal den Begriff der "Glaubenssätze" gehört. Glaubenssätze formen unser Verhalten und bestimmen unter anderem, wie wir mit Abgrenzung umgehen. Glaubenssätze sind ein psychologisch anerkanntes Synonym für tief in uns verankerte Überzeugungen - ja Muster - , die wir oft unbewusst von Kindheit an mit uns tragen.
Vielfach wurden uns diese Glaubenssätze in unserer Kindheit oder Jugend von unseren Eltern oder anderen erwachsenen Autoritätspersonen übermittelt. Teilweise geschah dies absichtsvoll mit dem Versuch, gezielten Einfluss auf uns auszuüben. Dann handelt es sich um ein klar übergriffiges Verhalten. Teilweise geschah dies auch "wider besseren Wissens", wenn z.B. eine alleinerziehende Mutter das ältere Kind wie einen Partner behandelt hat (sogenannte "Parentifizierung") und mit ihm ihre Sorgen geteilt hat (sogenanntes "emotionales Oversharing"). Und teilweise resultieren solche Glaubenssätze aus eine damalige oder heutige Fehlinterpretation durch uns selbst.
Warum auch immer: Gemeinsam ist diesen Überzeugungen, dass sie aus einer anderen Zeit stammen und nicht die heutige Realität wiederspiegeln. Dies können sich Betroffene in einem ersten Schritt gar nicht laut genug sein, wenn es darum geht, sich von falschen Überzeugungen zu befreien.
Dennoch beeinflussen uns diese tradierten Muster hier und jetzt. Dabei können sie uns entweder stärken oder aber auch behindern. Sehr häufig haben sie einen direkten Einfluss darauf, wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten.
Ein klassischer Glaubenssatz, der viele Menschen davon abhält, Grenzen zu setzen, lautet: „Ich muss es allen recht machen, um gemocht zu werden.“ Wenn du dich darin wiedererkennst, wird es dir wahrscheinlich schwerfallen, „Nein“ zu sagen, aus Angst, abgelehnt oder nicht mehr geliebt zu werden.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die den Glaubenssatz verinnerlicht haben: „Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen.“ Solche Überzeugungen führen oft dazu, dass sich diese Menschen emotional oder physisch stark abgrenzen, um sich vor Enttäuschungen zu schützen. Diese Überabgrenzung kann zu Einsamkeit und Isolation führen.
3. Wie prägt unsere Vergangenheit diese Muster?
Unsere Kindheit und Jugend spielen eine entscheidende Rolle dabei, wie wir heute Grenzen setzen. Wurden deine Grenzen als Kind respektiert? Hast du die Freiheit gehabt, deinen Willen zu äussern und durchzusetzen? Oder hast du gelernt, dass es sicherer ist, dich anzupassen und zu funktionieren? Zählten deine Bedürfnisse überhaupt, oder hiess es: Kinder sind Kinder, Erwachsene sind Erwachsene!
Wenn du als Kind erlebt hast, dass deine Bedürfnisse nicht ernst genommen wurden, entwickelst du wahrscheinlich Überzeugungen wie: „Meine Wünsche zählen nicht“ oder „Ich darf keine Probleme machen.“ Diese Glaubenssätze prägen unser Verhalten und führen dazu, dass wir als Erwachsene Schwierigkeiten haben, unsere eigenen Grenzen zu spüren und zu verteidigen.
Auch spätere Erfahrungen können uns stark beeinflussen – besonders traumatische Erlebnisse wie emotionale oder körperliche Gewalt. Solche Erfahrungen hinterlassen oft tiefe Spuren und führen dazu, dass wir entweder überangepasst oder überabgegrenzt reagieren, um uns zu schützen.
Der Ursprung von beidem ist die Vermeidung von Angst: Angst vor Ablehnung beim erstgenannten (Angst vor Beziehungsverlust), Angst vor Kontrollverlust beim zweitgenannten (Angst vor Autonomieverlust). In beiden Fällen sind somit psychologische Grundbedürfnisse des Menschen tangiert.
4. Erkenne ungesunde Abgrenzungsstrategien frühzeitig
Eine ungesunde Abgrenzung kann sich somit entweder in zu viel Anpassung oder in zu starker Abgrenzung manifestieren. Menschen, die sich ständig anpassen, haben Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen, weil sie Konflikte und Ablehnung fürchten. Sie übernehmen oft zu viel Verantwortung für das Wohlbefinden anderer und verlieren dabei den Kontakt zu ihren eigenen Bedürfnissen. Sie lassen es zu, dass andere Menschen ihre emotionalen, körperlichen, sexuellen, finanziellen oder seelischen Grenzen verletzen.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich übermässig stark abgrenzen. Sie haben gelernt, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen können, und schützen sich, indem sie andere auf Distanz halten. Diese Überabgrenzung führt dazu, dass sie kaum noch Bindungen eingehen und in vielen Situationen misstrauisch oder distanziert reagieren. Beide Extreme sind ungesund, weil sie verhindern, dass wir authentische und erfüllende Beziehungen führen.
People Pleasing-Verhalten kann auch zu starkes Grenzen setzen bewirken
Tatsächlich gibt es gute Gründe anzunehmen, dass sich hinter einer übermässig starken Abgrenzung eine ursprüngliche Tendenz zu People Pleasing verbirgt. Nachdem sie jahrelang versucht haben, es allen recht zu machen und dabei sich selbst verloren haben, kann eine Überreaktion stattfinden: Sie schlagen ins Gegenteil um und grenzen sich übermässig ab, um sich zu schützen. Dieses Muster entsteht oft aus der Angst, erneut in eine Rolle zu verfallen, in der die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt werden.
5. Finde gesunde Abgrenzung durch ein Update deiner Glaubenssätze
Der Schlüssel zu einer gesunden Abgrenzung liegt darin, deine alten Glaubenssätze zu erkennen und sie durch neue, positive Überzeugungen zu ersetzen. Ich nenne es "ein Update für deinen Glaubenssatz". Denn oftmals ist die Essenz, der Ursprung des Glaubenssatzes nicht verkehrt. Indem du ihm eine neue Ausrichtung, ein Update, gibst, ersetzt du die hinderliche Auswirkung in eine förderliche.
Frage dich dazu folgendes: Welche Glaubenssätze haben mich bisher davon abgehalten, gesunde Grenzen zu setzen? Vielleicht hast du den Satz verinnerlicht: „Ich muss es allen recht machen, um geliebt zu werden.“ Dieser Satz war vielleicht in deiner Kindheit sinnvoll, ist aber heute nicht mehr förderlich.
Hier sind einige Beispiele für Glaubenssätze, die dich davon abhalten könnten, dich gesund abzugrenzen, und Vorschläge, wie du sie durch gesunde Alternativen ersetzen kannst:
Update deine Glaubenssätze bei zu schwacher Abgrenzung:
„Ich muss immer nett sein, um gemocht zu werden." Ersetze es durch: „Ich kann meine Meinung vertreten und werde dennoch respektiert.“
„Wenn ich ‚Nein‘ sage, enttäusche ich die anderen.“ Ersetze es durch: „Ich darf ‚Nein‘ sagen, ohne die Verantwortung für die Gefühle anderer zu übernehmen.“
„Ich bin verantwortlich für das Wohl unserer beider Beziehung.“ Ersetze es durch: „Jeder von uns ist für 50% für das Wohl unserer Beziehung verantwortlich.“
„Meine Bedürfnisse sind nicht so wichtig wie die der anderen.“ Ersetze es durch: „Meine Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die der anderen.“
„Konflikte müssen vermieden werden.“ Ersetze es durch: „Konflikte können zu mehr Klarheit und Wachstum führen.“
Update deine Glaubenssätze bei zu starker Abgrenzung:
„Ich kann nur auf mich selbst zählen." Ersetze es durch: „Ich darf anderen vertrauen und meine Bedürfnisse teilen.“
„Wenn ich mich öffne, werde ich verletzt.“ Ersetze es durch: „Ich kann mich öffnen, ohne meine Sicherheit zu verlieren.“
„Es ist besser, allein zu sein, als enttäuscht zu werden.“ Ersetze es durch: „Ich kann Nähe zulassen und dennoch gut für mich sorgen.“
„Zu viele Erwartungen schränken mich ein.“ Ersetze es durch: „Ich darf Grenzen setzen und dennoch im Austausch bleiben.“
„Wenn ich andere an mich heranlasse, verliere ich die Kontrolle.“ Ersetze es durch: „Ich kann Nähe zulassen, ohne die Kontrolle über mich selbst zu verlieren.“
6. Dein nächster Schritt: Reflektiere und handle
Es reicht nicht, nur über Glaubenssätze nachzudenken – du musst sie auch aktiv verändern und neue Verhaltensweisen ausprobieren. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist die bewusste Wahrnehmung deiner Grenzen im Alltag. Nimm dir einen Moment Zeit, um innezuhalten und in dich hineinzuspüren: Wie fühle ich mich gerade? Fühle ich mich wohl in dieser Situation? Oder fühle ich mich überfordert, weil meine Grenzen überschritten wurden?
Nutze deine Emotionen als Frühwarnsystem
Unser Körper ist dabei unser bester Verbündeter. Während unser Gehirn oftmals noch in Dauerschleife das alte - falsche - Programm abspielt, zeigen sich auf der emotionalen, körperlichen Seite die negativen Seiten einer ungesunden Abgrenzung sehr unmittelbar. Allerdings spüren Menschen, die Schwierigkeiten mit Abgrenzung haben, oft nicht sofort, wenn ihre Grenzen verletzt werden. Typische körperliche Signale sind ein Klos im Hals, ein erhöhter Puls oder ein flaues Gefühl im Magen. Diese Signale sollten als Frühwarnsystem genutzt werden. Wenn du lernst, dieses Frühwarnsystem richtig zu interpretieren und dann die richtige Konsequenz daraus zu ziehen, ist bereits viel gewonnen.
Suche nach Unterschieden: Wann "konntest" du bereits Abgrenzung?
Zusätzlich kann es sehr hilfreich sein, dich zu fragen, bei welcher Person oder in welcher Situation dir das Abgrenzen bereits gut gelingt. Vielleicht hast du eine Bezugsperson, bei der es dir leichtfällt, deine Grenzen zu setzen.
Überlege dir: Was mache ich dort anders? Wie schaffe ich es, in dieser Beziehung klarer und selbstbewusster zu handeln? Wenn du verstehst, was in diesen Situationen anders ist, kannst du diese Strategien auf andere Lebensbereiche übertragen. Solch ein erfolgreiches Setzen von Grenzen bewirkt auch positive Gefühle wie Erleichterung, Stolz und innerer Stärke. Insofern unterstützen solch positiven Referenzerfahrungen dabei, eine gelungene gesunde Abgrenzung zu verankern.
Lass uns gemeinsam an deinen Grenzen und Mustern arbeiten!
Möchtest du lernen, wie du deine Glaubenssätze transformierst und in Zukunft eine gesunde Abgrenzung in deinem Leben etablierst? In meinen Coachings arbeiten wir daran, deine Selbstwahrnehmung zu stärken und alte Muster zu durchbrechen. Gemeinsam entwickeln wir Strategien, wie du deine Grenzen respektvoll und klar setzt – sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich.
Melde dich für ein unverbindliches Kennenlerngespräch und finde heraus, wie wir gemeinsam an deiner persönlichen Entwicklung arbeiten können!
Herzlichst, Verena Stahl