
Herzlich willkommen, liebe Ines
Nenne uns doch bitte einige deiner beruflichen Schritte bis heute!
Nach meiner Ausbildung zur dipl. Pflegefachfrau am Kantonsspital Luzern wechselte ich auf die Intensivstation des Inselspitals Bern, wo ich mich zur Intensivpflegefachfrau NDS HF weiterbildete und 12 Jahre tätig war. Die dynamische und herausfordernde Arbeit dort entsprach genau meinen Vorstellungen.
Anschließend übernahm ich für 5 Jahre die Koordination von Organspenden und Transplantationen, eine ebenso erfüllende Tätigkeit.
Nach fast zwei Jahrzehnten in diesen anspruchsvollen Bereichen sehnte ich mich nach Veränderung. Während meiner gesamten Berufslaufbahn sah ich mich mit finanziellen Engpässen, Ressourcenmangel, dem Ausscheiden von Kollegen, Lohndiskussionen und Bettenschließungen konfrontiert. Trotz umfassendem medizinischen Wissen fehlte mir ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, ein Thema, das in meiner Ausbildung nicht behandelt wurde. Um die zukünftigen Entwicklungen im Gesundheitswesen besser zu verstehen und fundiert argumentieren zu können, entschied ich mich für den CAS BWL für Gesundheitsfachleute an der BFH Wirtschaft.
Genau - und da lernten wir uns kennen. Wie kamst du denn zu deiner aktuellen Position als Teamleiterin des Pflegepools am Inselspital Bern?
Als berufstätige Mutter weiß ich um die Herausforderungen, Beruf und Familie zu vereinbaren, besonders im Schichtdienst. Trotz geteilter Familienarbeit und Unterstützung bleibt die Belastung hoch, so dass qualifizierte Pflegekräfte Stellen unter ihrem Niveau annehmen. Der Verlust dieser Fachkräfte ließe sich durch die Schaffung angepasster Rahmenbedingungen vermeiden. Ich sehe den Pflegepool als innovativen Ansatz, um neue Lösungen zu finden, anstatt bei den aktuellen Schwierigkeiten zu verharren.
Pflegepool und New Work
Wie genau funktioniert das Anstellungsmodell des Pflegepools, und worin liegt dessen Innovation im Sinne von New Work?
Das Modell bietet flexible Arbeitszeiten mit frei wählbaren Arbeitstagen und festgelegten Einsätzen, wodurch spontanes Einspringen entfällt. Pflegende arbeiten monatsweise in den jeweils besonders von Personalmangel betroffenen Abteilungen, wobei die Planung zwei Monate im Voraus erfolgt. Profiteure sind Pflegende mit familiären Verpflichtungen, Studierende, Nebenjobber oder Berufsanfänger, die unter denselben Konditionen wie bei einer Festanstellung verschiedene Fachbereiche kennenlernen möchten. Somit sind Nutznießer des Pflegepools sowohl dessen Mitarbeitenden als auch das Kerngeschäft des Inselspitals - echte New Work also.
Welchen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leistet der Pflegepool?
Die hier beschäftigten Pflegenden wären sonst aus dem Beruf ausgeschieden, um einer regelmässigeren Arbeit nachzugehen. Durch die Zusicherung einer vollständig individualisierten Planung sowie garantierten Einsätzen bei selbst gewähltem Beschäftigungsgrad realisieren wir genau diejenigen Anforderungen, die mangels Erfüllung oftmals zum Ausstieg aus dem Pflegeberuf bewegen.
Inwiefern trägt der Pflegepool zur Verbesserung der Zufriedenheit der Mitarbeitenden und zur Retention bei?
Die Dienstplanung hat einen enorm grossen Einfluss auf ihre Zufriedenheit. Bei bedürfnisgerechten Arbeitszeiten stehen Mitarbeitende deutlich weniger unter Stress. Und da der Pflegepool seine Versprechungen Monat für Monat einhält - und dies nicht nur verspricht wie anderswo - stiftet dies bei unseren Mitarbeitenden Vertrauen und erhöht ihre Loyalität.
Welche Rolle spielt der Pflegepool für das Employer Branding des Inselspitals?
Der Pflegepool trägt maßgeblich zur Positionierung des Inselspitals als attraktiven Arbeitgeber bei. Indem die spezifischen Vorteile, wie flexible Arbeitszeiten und die Vielfalt der Einsatzbereiche, gezielt hervorgehoben werden, stärkt dies das Image des Inselspitals. Diese Aspekte sind ein zentraler Bestandteil der Employer Branding-Strategie, die das Inselspital gerne nutzt, um sich als Vorreiter in der Branche zu präsentieren.
Könntest du uns konkrete Beispiele für eine nachhaltige Fachkräftegewinnung dank Pflegepool nennen?
Ich könnte einige beeindruckende Beispiele nennen. Eine langjährige Mitarbeiterin teilte ihrer Vorgesetzten mit, leider müsste sie wegen der hohen Belastung und schwierigen Arbeitsplanung kündigen. Dabei liebt sie ihre Arbeit am Menschen und möchte im Beruf bleiben. Dank einer aufgeschlossenen Vorgesetzten wurde sie an den Pflegepool verwiesen. Nach einem Informationsgespräch entschied sie sich für den Pool, blieb dem Inselspital treu und bereicherte den Pflegepool mit ihrer wertvollen Erfahrung. Ihre Zufriedenheit, weiterhin in ihrem Beruf tätig zu sein, ohne dem Druck der Planung ausgesetzt zu sein, ist immens.
Ein weiteres Beispiel ist eine junge Berufseinsteigerin, die kurz nach ihrem Abschluss feststellte, dass Nachtdienste ihr gesundheitlich zu schaffen machten. Sie wechselte in eine Arztpraxis, vermisste jedoch ihre ursprüngliche Tätigkeit so sehr, dass sie trotz gesundheitlicher Bedenken zurück in den Krankenhausalltag wollte. Durch den Pflegepool fand sie eine Möglichkeit, ohne Nachtdienste zu arbeiten, kehrte zufrieden in den Spitalalltag zurück und blieb gesund. Der Pflegepool gewann dadurch eine weitere motivierte Mitarbeiterin.
Wie wird innerhalb des Pflegepools Flexibilität sichergestellt?
Mir ist es wichtig zu betonen, dass die Flexibilität des Pflegepools auf der essentiellen Zusammenarbeit mit fest angestellten Teams basiert, die kontinuierlich Schichten abdecken und die fachliche Führung übernehmen. Dieses Fundament ermöglicht es, Poolmitarbeitende effektiv und gezielt einzusetzen.
Um die Belastung der Kernmitarbeitenden zu minimieren und sie im Beruf zu halten, bietet der Pflegepool bei Bedarf Flexibilität, etwa bei "Schicht-Müdigkeit" oder Lebensveränderungen.
Mitarbeitende und New Work
Wie gehen die Mitarbeitenden des Pflegepools mit den dortigen Arbeitsbedingungen um
Anfänglich erleben viele Poolmitarbeitende die freie Gestaltung ihrer Arbeitszeiten als herausfordernd. Die Abwesenheit von Wochenend- und Nachtdiensten erscheint fast unglaublich, was zu einer gewissen Anpassungszeit führt. Doch nach einigen Monaten stellt sich eine spürbare Erleichterung und oft Dankbarkeit für die neu gewonnene Freiheit und Flexibilität ein.
Welche langfristigen Ziele verfolgt das Inselspital mit dem Pflegepool?
Häufig bleiben stationäre Betten ungenutzt, weil es an Abteilungen mangelt, die ausreichend Personal für den Betrieb aller Betten haben. In solchen Fällen greift man oft auf temporär angestelltes Fachpersonal zurück.
Der Pflegepool zielt darauf ab, temporäre Anstellungen durch die Bindung bestehender Pflegefachkräfte und die Gewinnung festangestellter Mitarbeitender zu minimieren.
Aktuell liegt der Fokus auf Wachstum. Angesichts der Größe des Spitals ist unser Pflegepool relativ klein, er kann die Bedürfnisse der Abteilungen nicht vollständig decken. Wir möchten unseren Dienstleistungsauftrag umfassender erfüllen.
Welche Rolle spielt das Feedback deiner Pflegepool-Mitarbeitenden für dessen Weiterentwicklung?
Wir sind offen für Vorschläge, und ich ermutige mein Team aktiv dazu, Verbesserungen einzubringen. Seit der Gründung des Pflegepools im Dezember 2022 sind wir bestrebt, unsere Prozesse kontinuierlich zu evaluieren und zu optimieren, etwa durch Umfragen zum Anstellungsprozess. Die Erfahrungen und Rückmeldungen der Mitarbeitenden, die täglich im Einsatz sind, liefern uns wertvolle Einblicke hinsichtlich der Herausforderungen sowie möglicher Lösungsansätze.
Des Weiteren spielt die positive Mundpropaganda, getragen von der Zufriedenheit unserer Teammitglieder, eine ganz entscheidende Rolle bei der Gewinnung neuer Fachkräfte. Ihre Zufriedenheit ist unser größter Vorteil und ein Schlüsselfaktor für das Wachstum und die Attraktivität des Pflegepools.
New Work in der Pflege
Welches Potenzial siehst du für New Work im Bereich der Pflege?
Der erste Schritt liegt darin, verschiedene Arbeits- und Planungsansätze zu bewerten und sich auch unter Inkaufnahme von Misserfolgen zu trauen, neue Pfade zu beschreiten. Der Pflegeberuf, tief in Traditionen verankert und direkt am Menschen, lässt sich nicht einfach ins Homeoffice verlagern. Trotzdem sollten wir offen für Neuerungen sein. Es ist entscheidend, das Personal mit angepassten Plänen, Weiterbildung, Gesundheitsförderung, fairer Bezahlung und starker Führung zu unterstützen, um sie für neue Methoden zu begeistern.
Was wünscht du dir für die "Zukunft der Pflege"?
Ich wünsche mir, dass im Pflegealltag mehr Wertschätzung praktiziert wird. Auf den ersten Blick scheint Wertschätzung kein direkter Lösungsansatz für finanzielle Engpässe oder den Fachkräftemangel zu sein. Doch oft sind es gerade fehlende Anerkennung und Wertschätzung, die Missverständnisse und Unzufriedenheit bewirken. Und das kostet anderswo dringend benötigte Energie.
Im übrigen geht Wertschätzung über eine bessere Bezahlung hinaus. Es geht um Anerkennung für jeden, der an der Pflege und Genesung der Patienten beteiligt ist – quer durch alle Hierarchieebenen. Von den Mitarbeitenden des Facility Services bis hin zu den Führungskräften. Wertschätzung sollte sich auf das Wissen, das Engagement, die Menschlichkeit, das Verständnis, innovative Ideen und schlichtweg gute Arbeit erstrecken. Jeder Einzelne, in seiner Rolle und auf seiner Ebene, verdient Anerkennung.
Vielleicht ist dies der Schlüssel, um den Grundstein für einen Best Work Place zu legen.
Ein Motto für New Work
Magst du uns noch ein Motto mitgeben, das dich begleitet?
Einer meiner Lieblingssätze lautet: „Mach' dir über das Morgen morgen Sorgen“. Ich habe ihn in einem unserer vielen Kinderbücher gefunden.
Diese Sorglosigkeit scheint im ersten Moment nicht ganz in den Pflegealltag zu passen. Doch die Botschaft dahinter erinnert uns daran, achtsam zu sein und den Moment nicht zu verpassen. Gleichzeitig ermutigt sie uns, andere Pfade zu erkunden. Ob neue Ideen oder kreative Lösungsansätze, es lohnt sich immer, einfach mal etwas auszuprobieren, ohne zu sehr zu zögern. Wenn wir dabei immer die Menschlichkeit im Blick behalten, können wir kaum falsch liegen!
Das sehe ich genauso und passt zudem sehr schön zu meinem eigenen Jahresmotto: Einfach mal machen!
Herzlichen Dank für unseren schönen Austausch,
liebe Ines!
Ines lebt in der Nähe von Bern, gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen (12 und 8 Jahre). Ich kenne Ines aus dem Nachdiplomstudiengang CAS BWL für Gesundheitsfachleute an der BFH Wirtschaft, in dem ich Ines im Rahmen ihres Transferberichtes zum Thema "Employer Branding und der Pflegepool am Inselspital" betreuen durfte.
Bist du an einem Kontakt mit Ines interessiert, melde dich gerne hier: